Hexenjagd

Schauspiel von Arthur Miller

Mit Rebecca Selle, Ralf Grobel, Hannah Prasse, Carsten Klemm, Sophie Schmidt, Wolfgang Seidenberg, Alexander Kuchinka, Christian Meyer, Iris Boss, Ines Reinhard
Regie: Volkmar Kamm

Für den Zustand pubertierender Mädchen, die nach einem nächtlichen Tanz im Wald sonderbar reagieren, gibt es im puritanischen Salem des 17. Jahrhunderts nur eine Erklärung: Teufelswerk. Man ruft den bekannten Hexenspezialisten Pastor Hale zu Hilfe. Bei den von ihm geleiteten Verhören geben die Mädchen als Ausrede an, verführt und verhext worden zu sein. Sie merken schnell, dass sie der Strafe entgehen können, wenn sie andere der Teufelsbuhlerei beschuldigen. Und so denunzieren sie munter drauf los, bezichtigen unliebsame Gemeindemitglieder und genießen ihre neu gefundene Macht. Eine Hexenjagd beginnt.

Als dann aber die junge Abigail vor dem von Richter Danforth eigens einberufenem Hexengericht die Frau des Bauern John Proctor der Hexerei anklagt, hat sie eine Grenze überschritten. Bis allerdings klar ist, dass sich hinter Wahn und Massendenunziation nur eigennützige Ziele verbergen, werden einige Unschuldige hingerichtet …

Mit seiner außergewöhnlichen Bühnenwirkung und den messerscharfen Charakterporträts bis in die kleinste Nebenfigur hinein, ist Millers Stück „Hexenjagd“ auch heute noch ein Lehrstück über jegliche Art von Massenhysterie und politisch bzw. religiös motivierte Wahnvorstellungen. In „The Crucible“ (zu Deutsch ‚Schmelztiegel’, im übertragenen Sinne auch svw. ‚Feuerprobe’) führt Miller exemplarisch vor, wie leicht ein demokratisches System durch Intoleranz, Ignoranz und Fanatismus mit den Mitteln seiner eigenen Ordnungs- und Rechtsdisziplin ausgehebelt werden kann. Zu Recht gehört „Hexenjagd“ immer noch zu den erfolgreichsten und meistgespielten Dramen des Autors.

Hexenjagd“ behandelt mit der Hexenverfolgung des 17. Jahrhunderts in Amerika zwar einen historischen Stoff, die Zusammenhänge zwischen religiösem und politischem Fanatismus werden aber vom Autor bewusst auch auf seine Gegenwart – die Kommunistenhatz des berüchtigten Senators McCarthy – bezogen.
Die Überraschung: Über 60 Jahre nach der Uraufführung ist „Hexenjagd“ thematisch plötzlich wieder das Stück der Stunde. Denn garantierte und selbstverständlich gewordene Rechte und Errungenschaften werden durch Trump/Erdoğan/Orbán/Kaczyński als Nachfolger des US-Senators McCarthy und dessen Jagd auf »subversive Elemente« zunehmend außer Kraft gesetzt.

Ein Beweis für diese Aktualität des Stücks ist seine in letzter Zeit zu beobachtende Spielplanpräsenz. An rund 20 Bühnen in Groß- und Kleinstädten steht „Hexenjagd“ in den Spielzeiten 2016/17/18 auf dem Spielplan – von Staatstheatern (Berliner Ensemble, Burgtheater Wien, Bayerisches Staatsschauspiel München, Staatstheater Dresden, Schauspielhaus Düsseldorf) über Stadttheater (Heidelberg und Koblenz) bis hin zu Freilichtbühnen wie Bad Hersfeld.

Arthur Miller
Ich habe eine schreckliche Angst vor Menschen mit zu viel Macht. Ich vertraue den Menschen nicht mehr. Früher dachte ich, daß wenn Menschen die richtige Idee haben, sie die Dinge auch entsprechend in Bewegung setzen könnten. Heute müssen wir Tag für Tag kämpfen, nur um Schreckliches zu verhindern.

Arthur Miller
Überall dort, wo die Ablehnung des politischen Gegners grausame Formen annimmt, wo man ihn mißhandelt und austilgt, weil man in ihm nicht mehr den Menschen sehen kann – überall dort wirkt auch in unserem Jahrhundert der alte Hexenwahn.

McCarthy, seine Gesinnungsschnüffelei und Millers „HEXENJAGD“
Zwischen 1947 und 1952 bemächtigte sich ein hysterischer Antikommunismus der amerikanischen Öffentlichkeit, der seinen Höhepunkt mit der Kampagne des Senators McCarthy gegen „subversive Elemente“ erreichte, die der Senator überall, insbesondere unter den führenden Persönlichkeiten und Intellektuellen vermutete.
McCarthys paranoide Gesinnungsschnüffelei, die das öffentliche Leben der Vereinigten Staaten verseuchte, bildet Motiv und Hintergrund zu Millers „Hexenjagd“. Die Parallelen sind verblüffend. In beiden Fällen handelt es sich um Anschuldigungen, die dank der Irrationalität der angeblichen Verbrechen weder eindeutig bewiesen, noch widerlegt werden können, lauten sie nun auf Illoyalität gegenüber dem Staat oder Umgang mit dem Teufel.

Aus Rainer Lübbren: Arthur Miller. Friedrich Verlag, Velber 1966

EURO-Studio Landgraf

Kritiken

Kritik aus der Borkener Zeitung vom 09.11.2018

"Hexenjagd" in der Stadthalle
Spannende Dramatik

Von Claudia Peppenhorst

Borken. Mit dem Klassiker "Hexenjagd" von Arthur Miller begeisterte ein zehnköpfiges Ensemble am Mittwochabend die Theaterbesucher in der Stadthalle. Nach einer kurzen Einführung durch Schauspieler Christian Meyer in das 1953 geschriebene Drama erlebten die Zuschauer gut zwei Stunden spannende Unterhaltung. Meyer lobte in seiner Einführung besonders den Regisseur Volkmar Kamm. Er habe den Schauspielern genug interpretatorische Freiheiten gewährt und auch satirische Pointen ins Stück eingebaut.

Arthur Miller hatte das Drama zu einer Zeit geschrieben, als die Angst vor kommunistischer Infiltration die USA beherrschte. Unter Senator Joseph McCarthy wurde die Gesinnung der Amerikaner überprüft. Auch Miller geriet während der Pogromstimmung in diese Mühlen. Er weigerte sich jedoch, jemanden zu denunzieren. Dafür erhielt er neben einer Geld- und Bewährungsstrafe Berufsverbot in Hollywood.

Den Wahnsinn dieser Stimmung, das Denunzieren und die falschen Anschludigungen machte er zum Thema seiner "Hexenjagd". Diese hat sich tatsächlich nach Dokumenten aus den Jahren 1692 und 1963 in Salem nähe Bosten/USA abgespielt. Auch heute ist der Begriff "Hexenjagd" noch immer in den USA ein häufig verwendeter Begriff im politischen Umfeld.

Pfarrer Samuel Parris überrascht in dem Stück seine Tochter Betty, seine Nichte Abigail und weitere Mächen bei einem okkulten Ritual im Wald. Aus dem harmlosen Tanzvergnügen der Mädchen stilisiert er satanische Bräuche. Er hat sie sogar nackt fliegend gesehen. Pastor Hale, ein Teufelsspezialist, soll der Krankheit seiner Tochter auf den Grund gehen. Der Stellvertreter des Gouverneurs, Danforth, und sein Assistent Richter Hathorne eröffnen ein Gericht in Salem. Hauptzeugen sind die Mädchen, die bald halb Salem als Hexen denunzieren, weil sie sich gegenseitig schützen wollen und durch Suggestivfragen unter Druck gesetzt werden.

Ausgrenzung, Meinung- und Stimmungsmache, die Auslegung von Bibeltexten, wie es einem in den Kram passt, und Verrat führen dazu, dass viele Salemer Bürger gehängt werden. Selbst als sich endlich der Verdacht erhärtet, dass alles wohl nur ein Lügengebäude ist, fährt man mit der Bestrafung fort.

Auf der Bühne färbt sich das zentral aufgestellte Kreuz mit immer mehr Blut. Den Wahnsinn ihrer Taten begreifen nur wenige, kommen aber gegen die Menge der Moralhüter nicht an.

Der Bezug zu aktuellen Geschehnissen unserer Zeit liegt auf der Hand - hervorragend dargestellt von allen Ensemblemitgliedern und umgesetzt in einer außergewöhnlich beeindruckenden Inszenierung. Häufige Lacher für satirische Einlagen und langer, begeisterter Applaus zum Schluss befreiten von der düsteren Stimmung des Themas.