Zweifel

Schauspiel mit Diana Körner, Dieter Gring u.a.

Schauspiel von Patrick Shanley • Deutsch von Daniel Call
Ausgezeichnet mit Pulitzer Prize for Drama und Tony Award for Best Play

Schwester Aloysius leitet despotisch eine kirchliche Schule, an der der sympathische und beliebte Vater Flynn als Lehrer arbeitet. Mit seinen modernen Ansichten ist er der Schulleiterin ein Dorn im Auge. Als die junge und naïve Schwester James, die ebenfalls dort unterrichtet, ihr von Flynns freundschaftlichem Umgang mit dem farbigen Schüler Donald Muller berichtet, ist ihr Misstrauen geweckt. Obwohl ihr Beweise fehlen, bezichtigt Schwester Aloysius Vater Flynn des Missbrauchs. Er streitet alles ab, sie sucht obsessiv nach Hinweisen. Zwischen beiden hin- und hergerissen befindet sich die leicht zu verunsichernde Schwester James, die nach und nach zum Spielball in einem erbitterten Kampf um die „Wahrheit“ wird. „Doubt“ (so der Originaltitel) feierte im Jahr 2005 sensationelle Erfolge am Broadway.

Das Stück erhielt neben zahllosen weiteren Auszeichnungen den renommierten Pulitzer Preis und den Tony Award. Zweifel ist ein Stück von heute. Es ist ein Stück über Rassenproblematik und Bildungsmisere, über Gleichberechtigung und den Kampf der Geschlechter. Es ist ein Stück über Homosexualität und Homophobie. Über den Missbrauch Schutzbefohlener, über Misstrauen und blindes Vertrauen. Ganz sicher ein Stück über die Kirche und auch über die Welt nach dem 11. September. Die geradezu inquisitorische Art und Weise, mit der Schwester Aloysius ihren einmal geschöpften, äußerst vagen Verdacht verfolgt, ihn schließlich „bestätigt“ sieht und in Konsequenzen münden lässt, erinnert auch an den Verlust bürgerlicher Freiheiten und rechtsstaatlicher Garantien im vorgeblichen Kampf gegen den Terror. In jedem Fall hat John Patrick Shanley mit seinen Fragen über den Umgang mit Verdacht, Schuld und Verurteilung ein intelligentes und provokantes Stück vorgelegt.

 

Frankfurter Rundschau, 30.3.2019

Einen hochemotionalen Abend bietet jetzt das Frankfurter Fritz Rémond Theater. Nahtlos wird der Besucher vermutlich, nein garantiert in Privatdiskussionen übergehen. Das Theater hat einen Lauf, was die Auswahl und die Durchführung betrifft.

Shanley entspinnt das nun als klassisches angloamerikanisches Konversationsstück […] hier getragen von einem vorzüglichen Ensemble unter der Regie von Peter Kühn.

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.4.2019

Die aus zahllosen Fernsehrollen bekannte Diana Körner beherrscht als bis zum bitteren Ende kämpfende Schwester Aloysius die Bühne, grandios anzusehen in ihrer maßlosen Überzeugung, den Richtigen zu verfolgen.

Einfache Antworten gibt es nicht. Das macht dieses Stück so sehenswert.

 

FNP, 30.3.2019

Auch wenn Dieter Gring den vergleichsweise weltlichen und nahbaren Vater Flynn spielt, macht er keinen Sunnyboy aus ihm. Vielmehr zeigt er eine Figur, aus der durchaus eine innerliche menschliche Zerissenheit aufblitzt.

Schön auch Julia Kemp als junge idealistische Schwester James […].

Am Ende der Frankfurter Premiere gab es begeisterten Beifall für eine intensive Inszenierung.

 

Offenbach Post, 2.4.2019

In Zeiten von “MeToo” und Missbrauchsskandalen in der Kirche, ist klar: Wegsehen ist der falsche Weg, unüberlegtes Denunzieren aber auch. Das von Peter Kühn kammerspielartig und bis zum Bühnenbild schnörkellos inszenierte Stück macht deutlich: So schwarz-weiß wie Schwester Aloysius die Welt sieht, ist sie nicht.

 

a.gon theater / eine Produktion des Fritz Rémond Theaters Frankfurt

Kritiken

Kritik aus der Borkener Zeitung vom 25.11.2022

Preisgekröntes Theaterstück im Vennehof
Das Ringen mit dem Zweifel

Von Dorothea Nattefort

Was erhofft man sich von einem Abend im Theater? Heitere Unterhaltung, oder: man fühlt sich im besten Sinne provoziert, herausgefordert Position zu beziehen. Die Kulturgemeinde hat gerade in der laufenden Saison ein Händchen dafür bewiesen, dem Publikum Denkaufgaben mitzugeben. Auch das Stück "Zweifel", das den Pulitzer-Preis bekommen hat, gehört in diese Kategorie.

Das Stück spielt in einer katholischen Schule in der Bronx im Jahr 1964. Schwester Aloysius leitet die Schule mit großer Selbstgewissheit und straffem Regime. Sie ist ganz und gar "old school" und wirkt von Herzen unsympathisch, als sie eine junge unterrichtende Mitschwester, die ihre Tätigkeit mit großem Enthusiasmus und menschlicher Wärme wahrnimmt, zurechtweist. Schwester Aloysius nimmt ihr ihre freundschaftliche Unbefangenheit und impft sie mit Misstrauen.

Schwester Aloysius' Konservatismus kollidiert auch mit der Haltung von Father Flynn, der das menschliche Gesicht der Kirche zeigen und sie damit zugänglicher machen will. Als Zuschauer kann man nicht umhin, auf der moderneren, menschlich zugewandteren Seite zu sein, gerade auch, als Schwester Aloysius in selbstgerchter obsessiver Weise Father Flynn angreift, in Frage stellt und ihn schließlich ohne Beweise pädophiler Umtriebe bezichtigt.

Sister James verkörpert die Warnung, Menschen vorschnell zu verurteilen. Aber während man als Zuschauer beobachtet, wie verbissen und unbeirrt Schwester Aloysius ihrem Verdacht nachgeht, denkt man an all die Missbrauchsfälle in der Kirche. Wäre es da nicht richtig gewesen, dem Verdacht konsequent nachzugehen? Wie verhält man sich, wenn man sich nicht sicher ist? Kann man warten, bis man Beweise hat? Oder muss man vorbeugend eingreifen? Aber wie unmenschlich ist es, einen Unschuldigen zu verdächtigen?

Dem Ensemble gelang es hervorragend, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Charaktere, auch gerade die der kontrastierenden Frauen, überzeugend und mitreißend auszugestalten. Besonders Diana Körner brillierte als zunächst gefühlskalt erscheinende Schulleiterin, die aber mit ihrer Verantwortung für die anvertrauten Schüler kämpfte.

Am Ende blieb der Zweifel, mit dem das Publikum sich auf den Heimweg machte.